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Artischocke – Eine bittere Diva

«Man muss sich dieser Diva unter den Gemüsen mit Bedacht und Zuneigung nähern, doch wer sie erobert hat, dem entblättert sie ihre ganze aromatische Leidenschaft und zeigt sich sowohl roh im Salat (fein gehobelt) als auch geschmort und gebraten von ihrer unwiderstehlichsten Seite.» (aus «la cucina verde» von Carlo Bernasconi)

 

Im Zitronenwasser gekocht, serviert mit der besten Vinaigrette meiner Mama gehört die Artischocke zu meinen Kindheitserinnerungen unter den Gemüsen. Wenn wir uns Blatt für Blatt ihrem Herzen näherten um schlussendlich diese Köstlichkeit mit den letzten Resten der Sauce schlemmten.

 

Wenn ich heute die ersten Carciofini auf dem Markt antreffe, weiss ich, dass der Frühling zumindest in der Toskana angekommen ist und der Geruch, der kochenden Artischocke steigt mir in die Nase, zusammen mit Bildern aus Massa Marittima, wo ich, wenn immer möglich Artischocken Gerichte genossen habe.

Ganz Italien ist dieser stachligen Diva verfallen. Man findet Rezepte vom Norden des Stiefels bis in den Absatz, zubereitet mit Knoblauch, Weisswein, Pfefferminze oder Petersilie um das unverkennbare Aroma herauszukitzeln.


Doch dieses Distelgewächs auf ein Gemüse zu reduzieren, wäre weit gefehlt. Warum sonst hätte es die Cynara cardunculus in meinen Blog geschafft?!

 

Wie zahlreiche Abbildungen an den Wänden der Pharaonen Grabkammern belegen, haben schon die alten Ägypter «die Distel, die man essen kann» geschätzt und verschiedenste Sorten gezüchtet. 

Um 1814 widmete Goethe sogar ein Gedicht der Diva, der ihr auf seinen Reisen nach Italien verfallen war.

«Ein Liebchen ist der Zeitvertreib

auf den ich mich jetzt stütze.

Sie hat einen gar so schlanken Leib

und trägt eine Stachelmütze.»

Das Distelgewächs hat mittlerweile auch den Weg in unsere Hausgärten gefunden, doch ursprünglich stammt die Cynara aus Äthiopien.

 

Sie ist eine distelartige Kulturpflanze, gehört in die Familie der Korbblütler und gegessen wird sie als Blütengemüse. Ebenfalls zu den Artischocken zählt das Blattgemüse Cardy, auch sehr spannend im Geschmack und in der italienischen Küche zu finden.

Im Garten einmal gepflanzt ist die Artischocke sehr ausdauernd. Im Herbst des ersten Vegetationsjahres bildet sie eine grundständige Blattrosette. Danach trägt der 0,5 bis zwei Meter lange Stängel über rund fünf Jahre essbare Blütenstände. 

Die blühende Diva macht aber auch in einem Blumenstrauss eine gute Figur, umgeben von vielfältigem Grün. Als Blütengemüse sollte sie jedoch noch vor ihrer Enthüllung des violett blühenden Herzens geerntet werden.

Und wie es sich für eine Diva gehört, braucht sie Platz, viel Platz im Garten. Rund ein Quadratmeter nennt sie ihr Eigen.

 

Nicht das erste Mal hat Zeus seine Finger mit im Spiel, wenn es um die Entstehung einer Pflanze geht. Er verliebte sich in die attraktive Nymphe Cynara, die ihn jedoch abwies. Darauf verwandelte sie Zeus in seiner Wut in die stachelige Artischocke. Nur noch der wissenschaftliche Name erinnert an die Nymphe.

Wenn wir uns aus naturheilkundlicher Sicht mit der Artischocke befassen, kommen wir um einen kleinen Exkurs um die Bitterstoffe nicht herum. 

Starten wir dazu mit einem Selbstversuch. Was passiert, wenn wir auf ein Blatt Wermut beissen? Umgehend läuft uns das Wasser im Mund zusammen, bestenfalls reagiert unser Magen mit einem Aufstossen von Luft, die uns drückte oder der Verdauungstrakt kommt erleichtert in Bewegung.

Diese allgemein anregenden Wirkungen auf den Verdauungstrakt machen die ganzheitliche Wirkung der Bitterstoffe auf den Körper aus.

  • Anregung der Verdauung (sowohl motorisch wie resorptionsfördernd). Dies hat einen erhöhten Energiestoffwechsel zur Folge
  • Dadurch wirken die Bitterstoffe allgemein wärmend für die ewig Frierenden
  • Und allgemein tonisierend (stärkend) bei Erschöpfung und im Alter
  • Die Darmschleimhaut wird unterstützt, dadurch das darmassoziierte Immunsystem gestärkt
  • Durch die bessere Resorption von Vitamin B12 und Eisen wird die Blutbildung positiv beeinflusst
  • Bitterstoffe steigern den Tonus der glatten Muskulatur (der Verdauung, des Herzens und anderer Organe), der mit dem Alterungsprozess tendenziell nachlässt. Somit haben Bitterstoffe eine allgemein stärkende Wirkung
  • Zudem sind Bitterstoff haltige Nahrungsmittel basenbildend und wirken einer Übersäuerung entgegen

Dies vereinfacht gesagt die wichtigsten Wirkungsweisen der Bitterstoffe, die leider viel zu wenig auf unserem Speiseplan auftauchen. Sie werden zunehmend aus unserem Gemüse «weg gezüchtet».

Wie und wann entfalten Bitterstoffe ihre Heilwirkung am besten?

  • 30 Minuten vor dem Essen wirken sie Appetit anregend
  • 30 Minuten nach dem Essen wirken sie bei Verdauungsproblemen
  • Da sie hitzeempfindlich sind, Kräuter nur überbrühen, nicht länger kochen
  • Kalte Zubereitungsformen wie Apertifs und Digestifs sind wirksamer, da bitterer
  • Die Wirkung der Bitterstoffe beginnt im Mund, daher diese eine Weile im Mund behalten
  • Bitterstoff Anwendungen (Tee) nicht süssen ausser mit Süssholz
  • Die Wirkung ist Dosis abhängig: je weniger umso wirksamer
  • Die Geschmackswahrnehmung von Bitterstoffen ist abhängig von Speichelzusammensetzung, Alter, Psyche und Gesundheitszustand. In der Schwangerschaft, bei Rauchern, Medikamentenmissbrauch und Stress ist die Empfindung stark herabgesetzt

Zurück zur Artischocke, deren Blätter in erster Linie zu Heilzwecken in Form von Tee, Frischpflanzensaft und Fertigpräparaten verwendet werden. Als Gemüse reicht sie nicht um klinisch wirksam zu sein.

 

Diese Präparate zeigen ihre Wirkung in der Langzeitanwendung (mindestens 6 Wochen)

  • um die Verdauung zu unterstützen, der Leber und Galle auf die Sprünge zu helfen
  • unterstützend in einer Frühjahrskur, um den Winterballast «abzustreifen»
  • stärkend und stimmungsaufhellend, da tonisierend bei älteren Menschen, psychischen Erkrankungen und in der Rekonvaleszenz
  • allgemein appetitanregend

Und wenn wir schon beim Appetit sind begeben wir uns in die Küche. Die grossen, runden Artischocken, le mammole, werden in Zitronenwasser gekocht und dann mit einer Vinaigrette serviert. Sie finden kaum mehr den Weg auf den Tisch.

Ich bevorzuge je länger je mehr die Kleinen, die carciofini, die auch bei uns auf dem Markt anzutreffen sind. Für ein gutes Gelingen sind zwei Grundsätze zu beachten. Grosszügig rüsten und die Carciofi nie lange an der Luft herumliegen lassen, sonst verfärben sie sich unansehnlich braun. Dazu die Verwendung von Zitrone bei der Zubereitung.

Carciofini fritti

(gebratene Artischocken)

500g       kleine Artischocken

1/2           Zitrone, den Saft davon

2 EL         Olivenöl

1              Knoblauchzehe, in Scheiben geschnitten

150 ml     Weisswein

2 EL         Paniermehl (hausgemacht aus Brotresten)

2 EL         gehackte glatte Petersilie

                Salz, schwarzer Pfeffer frisch gemahlen

Die Spitzen der Artischocken mit einem scharfen Messer abschneiden und die äusseren harten Blätter entfernen. Die Artischocken vierteln und in eine Schüssel mit Wasser und Zitronensaft geben.

Das Olivenöl erhitzen, dann den Knoblauch mit den Artischocken 3 Minuten bei mittlerer Hitze braten. Mit Weisswein ablöschen und zugedeckt 15 Minuten sanft garen. Nach Bedarf etwas Wasser zugiessen.

Wenn die carciofini gabelzart sind, das Paniermehl und die Petersilie untermischen, mit Salz und Pfeffer abschmecken. Vorsicht, das Paniermehl enthält schon Salz…

Zu dieser Vorspeise passt am besten frisches Weissbrot oder als leichtes Abendessen mit Feta serviert eine vollwertige Mahlzeit.

...für einmal mit Lachsstreifen serviert...

Dieses Rezept erinnert mich nicht nur an Italien, es weckt auch Frühlingsgefühle in mir und es kann durchaus vorkommen, dass die carciofini mehr als einmal pro Woche den Weg auf meinen Teller finden. Vielleicht doch heilwirksam? Zumindest für eine frühlingshafte Stimmung!

 

Eure Odorata

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Kommentare: 1
  • #1

    Erika Briggen (Montag, 20 März 2023 00:59)

    Super viel gelernt.
    Freue mich auf das gute Essen .
    Liebe Grüsse
    Erika